"Im heiligen Josefmaria schenkt uns Gott einen vorbildlichen Zeugen des Vertrauens."

Predigt des Apostolischen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Dr. Jean-Claude Périsset, bei einer Hl. Messe zu Ehren des hl. Josefmaria in der Kirche St. Albertus Magnus in Berlin

Der Nuntius während seiner Predigt.

                                       „Wohl allen, die ihm vertrauen“  (Ps 2, 12)

Brüder und Schwestern im Herrn!        

Was bedeutet diese Feststellung aus Psalm 2 – die zugleich eine Anweisung ist -: „Wohl allen, die ihm vertrauen“ heute für uns? Für viele scheint sie zu den üblichen Werkzeugen der Religion zu gehören – wie eine wohlwollende Decke über den Schwierigkeiten und Leiden der Welt im Sinne des bekannten Satzes: „Religion ist das Opium des Volkes“ (Karl Marx). Für uns ist sie durch anerkannte Zeugen – die Heiligen – die Bestätigung dafür, dass der, der auf Gott vertraut, sein Leben zur Vollkommenheit entfaltet, sich am Leben freut – auch inmitten von Kreuz und Leid – und daher auch andere zum Heile führt, indem er die von Gott empfangenen Gabe mit ihnen teilt. 

Der Nuntius während seiner Predigt.

Im heiligen Josefmaria schenkt uns Gott einen vorbildlichen Zeugen dieses Vertrauens.

1. Gottvertrauen als Weg zur Vollkommenheit sehen wir schon am Anfang seines irdischen Lebensweges, als Josefmaria – kaum zwei Jahre alt – so schwer krank wurde, dass der Hausarzt ihn aufgab. Seine Mutter wandte sich an die Gottesmutter, unsere Fürsprecherin, und versprach ihr, ihr ihren kleinen Sohn in der kleinen Kapelle von Torreciudad zu weihen, wenn er wieder gesund werde. Wir verstehen also, warum Josefmaria eine lebenslängliche Liebe und Verehrung für die Mutter Gottes hatte, besonders in Beziehung zu ihrem Wallfahrtsort Torreciudad - die sogar so weit ging, dass er das Heiligtum mit Hilfe der Mitglieder des Opus Dei wiederherstellen ließ. In seinem Werk Der Weg hat er eine ganze Reihe von Texten der Mutter Gottes und der Mutter der Menschen gewidmet. Ein Gedanke sollte uns heute in dieser Beziehung genügen: „Seht ihr, mit welcher Schlichtheit? – ‚Ecce ancilla!‘ und das Wort ist Fleisch geworden. So wirken die Heiligen: ohne Aufsehen. Wenn doch, dann ohne ihr Zutun“ (Nr. 510). Das bedeutet volle Hingabe seiner selbst als Gabe für Gott, also Demut und Vertrauen, wie der Apostel Paulus es uns heute sagt: „sich vom Geiste Gottes leiten lassen“ (Röm 8, 14), als Söhne Gottes.

In gleicher Weise - „sich vom Geist Gottes leiten lassen“ (Röm 8, 14) – hat sich die Gründung des Opus Dei vollzogen, unter Mithilfe der Glocken der Kirche „Unserer Lieben Frau von den Engeln“, in Madrid am 2. Oktober 1928. Der junge Priester war seit dreieinhalb Jahren auf der Suche nach dem, was Gott von ihm wollte. Bei Besinnungstagen wurde ihm im Gebet - im Moment des Glockenläutens - die Antwort gegeben. Gott zeigte ihm, was er von ihm erwartete. Das ist eben das Werk GottesOpus Dei. Und Jesus lässt auch uns verstehen, wie und warum wir so handeln sollen. „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5, 16). Unsere Werke werden also Werk Gottes, wenn wir uns durch ihn führen lassen, in ihm und mit ihm handeln, alles zu ihm zurückführen. Wie die Glocken der Kirche, von denen Ihr Gründer sagte. „Seit damals haben sie niemals aufgehört, in meinen Ohren nachzuklingen“, so soll die Lehre Christi in den Werken des heiligen Josefmaria in eigenen Tonklängen für uns klingen – für Sie und uns alle.

2. Das Vertrauen, die Hingabe an Gott bringt Opfer und Kreuz mit sich. Christus täuscht uns nicht, wenn er über den Weg seiner Nachfolge sagt: „Wer mein Jünger sein will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mk 8, 34). Der Kommentar Ihres Gründers zu dieser Einladung Christi ist schlicht und klar. „Der Herr lässt diese Dürre, unter der du leidest, zu, damit du Ihn mehr liebst, damit du einzig auf Ihn vertraust, damit du kreuztragend zum Miterlöser wirst – kurz: damit du Ihn ‚findest‘“ (Die Spur des Sämanns, Nr. 49). Also geht es sicher um eine Verwirklichung des Psalmwortes „Wohl allen, die ihm vertrauen“ (Ps 2, 12). 

Der heilige Josefmaria ist gerade bei der Gründung des Opus Dei einen schweren Kreuzweg gegangen. Gewisse Leute in Madrid – auch in der Kirche – verstanden dieses neue Werk nicht und gingen zu den Eltern der jungen Anhänger, um deren Söhne und Töchter von diesen vermeintlichen „Ketzern“ zu befreien. Nur durch Verzeihung, in Demut und Gottvertrauen gelang es schließlich Ende 1943, das Werk dieser jungen Menschen unter der Führung des Gründers in der Anerkennung durch den Bischof von Madrid zum Erfolg zu führen. Vom heiligen Josefmaria wird das Vertrauen in einem Kommentar zu Vers 4 von Psalm 22 so geschildert: „Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil. Weder meine irdischen Gebrechen noch die Versuchungen des Feindes können mich ängstigen – denn du bist bei mir“ (Im Feuer der Schmiede, Nr. 194).

"Die Heiligen sind uns nicht nur Vorbilder, sondern auch Vorläufer in der Nachfolge Christi, denen wir eben nachfolgen."

3. Die Heiligen sind uns nicht nur Vorbilder, sondern auch Vorläufer in der Nachfolge Christi, denen wir eben nachfolgen. Dazu sagte Papst Benedikt XVI. am 13 April d. J., nachdem er zwei Jahre lang in den Ansprachen seiner Mittwochsaudienzen das Leben von Heiligen dargestellt hatte: „Wir könnten uns vielleicht fragen: Können wir mit unseren Grenzen, mit unserer Schwachheit so hoch hinaus wollen? Die Kirche lädt uns ein, im Laufe des liturgischen Jahres einer Schar von Heiligen zu gedenken – also derer, die die Fülle in Liebe gelebt haben, die es verstanden haben, Christus in ihrem täglichen Leben zu lieben und nachzufolgen. Sie sagen uns, dass alle diesen Weg beschreiten können“ (L’Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache 16/17, 22. April 2011). 

Die Gaben Gottes sind uns gegeben für das Wohl der ganzen Kirche und die Erlösung der Welt, wie Christus vor seiner Himmelfahrt seine Jünger dazu ausgesandt hat. Das galt auch für das Opus Dei, als Papst Pius XII. Don Escriva in den fünfziger Jahren Peru als ein neues Feld für seine Tätigkeit vorschlug, nachdem das Werk schon vorher in England, Frankreich, in den Vereinigten Staaten und in Mexiko Wurzeln geschlagen hatte. „Fast immer“ – sagt William Keenan in seiner kleinen Biographie – „schickte Josefmaria Escrivá seine modernen Apostel ohne Geld und materiellen Besitz aus.  Er gab ihnen nur ein Kruzifix, ein Marienbild und seinen Segen mit auf den Weg“ (William Keenan, Der selige Josefmaria Escrivá. Eine kurze Lebensgeschichte, Köln: Adamas Verlag, S. 26). Ich habe das selber festgestellt, als ich Sekretär in der Nuntiatur in Lima war – allerdings in einem ganz anderen Kontext. Der Regionalvikar für Peru sagte mir nach dem Tod von einem der dortigen Mitglieder des Werkes, dass alle seine „Güter“ in einem kleinen Gepäckstück zu seiner Familie nach Spanien geschickt wurden. Die Heiligen sind ja ansteckend in ihrem Gottvertrauen, besonders die Gründer! Eindeutig ist das Wort Ihres Gründers: „Was dich nicht zu Gott führt, ist Hindernis. Reiß es aus und wirf es weg“ (Der Weg, Nr. 189). Das Gleiche sagte der heilige Bruder Klaus: „Mein Herr und mein Gott, nimm von mir alles, was mich hindert zu dir. … Nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir!

"Die Gaben Gottes sind uns gegeben für das Wohl der ganzen Kirche und die Erlösung der Welt."

Eine solche Haltung ist nur möglich, wenn wir überzeugt sind, dass das Psalmwort - wie die Heiligen es beweisen -, wirklich recht hat: „Wohl allen, die ihm vertrauen“ (Ps 2, 12). Das hat der heilige Josefmaria erlebt; das wollen auch wir mit Gottes Gnade erleben. Nicht ohne Grund ist an seinem Fest als Lesung ein Abschnitt dem Brief des Apostels Paulus an die Römer entnommen, in dem unsere Gottesbeziehung als Sohnschaft bestimmt wird, die uns Gott als „Abba, Vater“ ansprechen lässt. Dazu sagt der heilige Josefmaria: „Vor Gott, dem Ewigen, bist du ein noch kleineres Kind als ein zweijähriges vor dir. Du bist nicht nur Kind, du bist Sohn Gottes. Vergiss das nicht!“ (Der Weg, Nr. 860). 

Amen!