Betrachtungstext: 4. Osterwoche – Dienstag

Jesus wirkt heute wie vor zweitausend Jahren – Niemand kann uns von der Liebe Christi trennen – Seine Mitarbeiter in der Welt sein

DIE FÜHRER des Volkes Israel baten Jesus wiederholt, ihnen endgültig zu beweisen, dass er der Messias sei: Wie lange hältst du uns noch hin? Wenn du der Christus bist, sag es uns offen! (Joh 10,24). Darauf erwiderte ihnen der Herr: Ich habe es euch gesagt, aber ihr glaubt nicht. Die Werke, die ich im Namen meines Vaters vollbringe, legen Zeugnis für mich ab (Joh 10,25). Jesus hatte nämlich schon viele Wunder und Zeichen gewirkt, bei denen die Führer des Volkes auch selbst dabei gewesen waren. Und zudem hatte er seine von Hoffnung und Liebe erfüllte Lehre verkündet, die er durch seine Taten beglaubigte. Daher sagte er in einem anderen Moment: Wenn ich nicht die Werke meines Vaters vollbringe, dann glaubt mir nicht! Aber wenn ich sie vollbringe, dann glaubt wenigstens den Werken, wenn ihr mir nicht glaubt! (Joh 10,37-38)

Jesus hat damals gewirkt und tut es weiterhin. So ist und war er beispielsweise auch in unserem Leben großzügig am Werk. An diesen Wirkungsbereich Gottes sollten wir uns häufig erinnern. Papst Franziskus hält es für sehr bedauerlich, „wenn wir die Erinnerung an die großen Dinge verlieren, die der Herr in unserem Leben getan hat, die er in seiner Kirche, in seinem Volk getan hat, und wir uns daran gewöhnen, mit unserer Kraft, mit unserer Selbstgenügsamkeit voranzugehen (...).“1

Gelegentlich können wir, so wie jene Führer des Volkes Israel, der Versuchung erliegen, Jesus um Beweise seiner Göttlichkeit zu bitten, obwohl wir sie in unserem eigenen Leben finden können. Der heilige Josefmaria erinnerte uns gerne daran, dass Gottes Kraft nicht geringer geworden ist (vgl. Jes 59,1); er wirkt in uns dieselben Wunder, die er vor mehr als zweitausend Jahren gewirkt hat. Wir können uns an so viele Momente erinnern, in denen Jesus kam und für uns sorgte oder uns unverhofftes Licht für unseren Weg schenkte. Diese Wirklichkeiten – das Gute, das wir tun oder das uns widerfährt – werden uns mit Freude erfüllen und immer ein Zeichen der Nähe des auferstandenen Christus in unserem Leben darstellen. Papst Franziskus fährt fort: „Es wird uns auch gut tun, stets den Rat des Paulus an Timotheus, seinen geliebten Jünger, zu wiederholen: ,Erinnere dich an den von den Toten auferstandenen Jesus Christus‘ (2 Tim 2,8). Ich wiederhole: ,Erinnere dich an den auferstandenen Jesus Christus.‘ Erinnere dich an Jesus, an Jesus, der mich bis hierher begleitet hat und der mich bis zu jenem Augenblick begleiten wird, in dem ich vor ihm, dem Verherrlichten, erscheinen muss.“2


DIE SCHAFE Christi verstehen seine Stimme und sein Handeln. Wenn wir ihm vertrauen, können wir uns seines Schutzes sicher sein. Ich gebe ihnen ewiges Leben, sagt Jesus; sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen. Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen. Ich und der Vater sind eins (Joh 10,28-30).

Wir wollen uns immer in diesen Hirtenhänden wissen. Es wird dennoch Momente in unserem Leben geben, in denen wir aus seiner Fürsorge herausgefallen zu sein scheinen. Das können Momente der Gnade sein, denn der Herr wird uns die Kraft geben, an ihm festzuhalten; er wird uns mit größerer Tiefe erkennen lassen, wie er ist und wie er handelt. Wir werden mit Paulus sagen können: Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch Gewalten, weder Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn (Röm 8,38-39). Diese Worte Jesu, in denen er uns versichert, dass wir immer in seiner Hand sind, „vermitteln uns“, wie Papst Franziskus sagt, „einen Eindruck absoluter Sicherheit und unendlicher Zärtlichkeit. Unser Leben ist völlig sicher in den Händen Jesu und des Vaters, die eins sind: eine einzige Liebe, eine einzige Barmherzigkeit, ein für alle Mal im Kreuzesopfer offenbart.“3

Wenn wir überzeugt sind, dass wir in Gottes Hand sind, ändert sich die Art und Weise, wie wir unsere Aufgaben angehen. Insbesondere werden wir von größerer Gelassenheit erfüllt sein: gegenüber unseren Fehlern, gegenüber den Fehlern der anderen, gegenüber der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Der heilige Josefmaria gab folgende Antwort auf die Frage, wie ein Christ lebt: „Mit Liebe zu Gott, in dem Wissen, dass die Nöte aller Art als ein Segen aus seiner Hand anzunehmen sind.“4


IN DER LESUNG aus der Apostelgeschichte, die uns die Liturgie heute vorlegt, hören wir von der Ankunft der Christen in der Stadt Antiochia. Sie befanden sich dort in einer widersprüchlichen Lage. Denn einerseits waren sie durch die Verfolgung, die sich nach dem Tod des heiligen Stephanus entfesselt hatte, gezwungen, den Ort zu verlassen; andererseits ließen sie sich nicht entmutigen, sondern sprachen offen über Jesus und sein Evangelium zu den Leuten in ihrem Umfeld. Die Heilige Schrift berichtet: Die Hand des Herrn war mit ihnen und viele wurden gläubig und bekehrten sich zum Herrn (Apg 11,21).

Gottes Hände beschützen uns nicht nur, sondern drängen uns auch dazu, für ihn in der Welt zu arbeiten. Wir alle können seine Wärme in unserer Umgebung verbreiten und die Liebe, die uns erfüllt, weitergeben. Es ist großartig, uns als Gottes Mitarbeiter in der Welt zu wissen. Es wird erzählt, dass eine Christusfigur in einer deutschen Kirche bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg die Arme verlor. Als die Frage der Restaurierung der Statue im Raum stand, entschied man, den Christus ohne diese Gliedmaßen zu belassen und dafür einen Satz auf den Querbalken des Kreuzes zu schreiben, der die Christen daran erinnern sollte, dass sie Jesu Arme auf Erden sind. Der heilige Josefmaria schrieb: „Der Herr hat uns das Leben, unsere Sinne, unsere Fähigkeiten und zahllose Gnaden geschenkt; deshalb dürfen wir nicht vergessen, dass jeder von uns einer von vielen Arbeitern auf diesem Acker ist, in den er uns gestellt hat, damit wir daran mitwirken, für die anderen Menschen Nahrung bereitzustellen.“5

Der Abschnitt aus der Apostelgeschichte endet mit der Ankunft von Barnabas und Paulus in Antiochia, um die Bekehrten in ihrem Glauben zu bestärken. In dieser Stadt verbreitete sich das Evangelium kräftig. Und da wurden die Jünger auch zum ersten Mal „Christen“ genannt (vgl. Apg 11,26). Diese Bezeichnung scheint außerhalb der christlichen Gemeinschaft entstanden, von unseren ersten Glaubensbrüdern aber jedenfalls begrüßt worden zu sein. Wie stolz trugen sie ihn! Indem wir sagen, dass wir Christen sind, bringen wir unsere Zugehörigkeit zum Herrn und unseren Wunsch zum Ausdruck, mit ihm eins zu sein. Die Erinnerung daran, dass wir Christen sind, und die Erinnerung an Gottes Wirken in uns, wird uns helfen, uns bewusst zu sein, dass wir in den Händen Jesu und seine Mitarbeiter in der Welt sind.


1 Franziskus, Tagesmeditation, 7.3.2019.

2 Ebd.

3 Franziskus, Regina Coeli-Gebet, 17.4.2016.

4 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 250.

5 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 49.