Betrachtungstext: 18. Woche im Jahreskreis – Freitag

Starkmut, um frei zu leben – Das Gute an unserem Kampf entdecken – Ein Weg der Hoffnung

DER HERR zeigt seine Göttlichkeit auf vielfältige Weisen. Er heilte zahlreiche Kranke, speiste eine hungrige Menge und gab sich den Zwölfen als der kommende Messias zu erkennen. In dieser Atmosphäre der Verheißung richtet sich Jesus mit folgenden Worten an seine Jünger: Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach (Mt 16,24). Die Botschaft ist klar und deutlich, denn der Herr möchte verhindern, dass die Apostel fälschlicherweise meinen, das Reich Gottes bestehe in irdischen Erfolgen. Unterwegs mit ihm haben sie viele Wunder erlebt, es wird aber auch der Moment des Kreuzes kommen.

Starkmut ist die Tugend, die uns hilft, den Wunsch zu hegen, Jesus unter allen Umständen zu folgen, sei es in Zeiten der Wunder oder in Momenten der Schwierigkeit. In unserem täglichen Leben gibt es viel Erfreuliches, es treten zwangsläufig aber auch Schwierigkeiten auf, die uns herausfordern. Unser Glück auf Erden hängt daher nicht so sehr davon ab, wie sehr es uns gelingt, die guten Zeiten maximal zu verlängern, sondern vielmehr davon, wie sehr wir in der Lage sind, den guten Momenten einen Sinn zu geben, aber ebenso den schwierigeren, wenn nichts so läuft, wie wir es uns vorgestellt haben. Der Starkmut hilft uns dabei, Widrigkeiten in Gelegenheiten zu verwandeln, unser Verlangen nach Gott weiter zu vertiefen und zu aktivieren. Auf diese Weise formt er nach und nach unsere Gefühlswelt, sodass wir Gott verkosten können, auch wenn die persönlichen oder äußeren Umstände dies scheinbar nicht begünstigen.

Als die begeisterte Menge Jesus zum König ausrufen wollte, ließ sich der Meister, wie Papst Franziskus darlegt, „von diesem Triumphalismus nicht täuschen, denn er war frei. Wie in der Wüste, als ihn der Satan versuchte und er mehrmals Nein sagte. Und die Freiheit, die er hatte, bestand darin, dem Willen des Vaters zu folgen. (…). Wir wollen heute an unsere Freiheit denken (…)“, lädt uns der Papst zum Nachdenken ein: „Bin ich frei? Oder bin ich Sklave meiner Leidenschaften, meines Ehrgeizes, vieler Dinge, des Reichtums, der Mode?“1 Für Jesus gab es kein Hindernis, das ihn davon abhalten konnte, zu erreichen, was er wirklich wollte: uns von der Sünde zu befreien. Die Tugend des Starkmuts hilft uns, so zu leben, wie er es tat: ohne uns von den äußeren Umständen einschränken und lähmen zu lassen, und immer mit dem Wunsch, Gottes Willen zu erfüllen.


MANCHMAL können wir meinen, dass der Starkmut lediglich in der Anstrengung besteht, gegen unseren Willen zu handeln, uns zu überwinden. Wir glauben dann, dass es ausreicht, um etwas sehr Wertvolles zu erreichen – einen Fehler zu überwinden, in der Freundschaft mit anderen Menschen oder mit Gott zu wachsen, eine Aufgabe zu erfüllen –, den auftretenden Schwierigkeiten entgegenzutreten, bis wir schließlich unser Ziel erreicht haben. Wenn wir unseren Kampf auf diese Weise anlegen, werden wir uns am Schluss erschöpft fühlen und unempfindlich sein gegenüber der Vielfalt der Gaben, mit welchen der Herr uns auf unserem Weg beschenkt. Stark zu sein, besteht vor allem darin, unsere Überzeugungen zu stärken, die Liebe, die uns antreibt, immer wieder zu erneuern und die wahren Güter in uns zum Strahlen zu bringen; mit anderen Worten, unseren Starkmut auf den Glauben an die Liebe Gottes zu gründen. Dann werden wir uns leicht und sogar gerne für das entscheiden, was wir wirklich wollen, für den „besseren Teil“, von dem Jesus spricht (vgl. Lk 10,42).

Jemandem, dem es an Starkmut fehlt, kann es zum Beispiel schwerfallen, eine spitze Bemerkung zurückzuhalten oder zu lächeln, wenn er müde ist. Seine Reaktionen werden, in diesem Zustand, hauptsächlich von der Müdigkeit bestimmt; für andere Gründe, die es wert sein könnten, sich trotz Müdigkeit anzustrengen, hat er keinen Sinn. Wer dagegen Starkmut besitzt, weil er diese Tugend auf dem Fundament des Glaubens in sich entwickelt hat, ist nicht nur fähig, die Müdigkeit zu überwinden, sondern er tut es auch, weil er sieht, wie gut es ihm und den anderen tut. Er entdeckt darin sogar einen Weg, Gott zu lieben. Auf diese Weise werden Handlungen wie zum Beispiel, auf ein kleines Vergnügen zu verzichten, zu einer bestimmten Zeit aufzustehen, sich nicht zu beklagen oder jemandem eine Gefälligkeit zu erweisen, zu der wir spontan nicht bereit wären, zu einem Weg der Selbstbildung: Wir erziehen uns selbst dazu, ein Gut wahrzunehmen, das in Reichweite liegt, das sich vielleicht aber nicht sehr deutlich zeigt, wenn Hindernisse wie Müdigkeit auftreten.

Die Anstrengung, stärker zu werden, stellt sich anfangs vielleicht als bloße Herausforderung zur Selbstüberwindung dar, doch letztendlich macht sie uns freier. Denn unsere Freude und unser Frieden wird dann mehr von dem abhängen, was wir wirklich wollen, und weniger von kleinen Tyranneien des Augenblicks. Der Kampf, starkmütiger zu werden, besteht genau darin, jene blinden Flecken aufzudecken, die uns daran hindern, den einen oder anderen Aspekt des Guten zu sehen, nur weil sie Anstrengung verlangen. Wer lernt, mit Starkmut zu leben, wird in der Lage sein, im Guten auszuharren, auch wenn die guten Entscheidungen nicht unmittelbar attraktiv erscheinen. Starkmut ist die Haltung eines Menschen, der den wahren Wert der Dinge erkennt.


„UM DAS GLÜCK zu finden“, schrieb der heilige Josefmaria, „bedarf es nicht eines bequemen Lebens, sondern eines verliebten Herzens!“2 Der christliche Weg ist anspruchsvoll, weil er eine immer tiefere Liebe verlangt; und wie ein spanisches Volkslied sagt: „Ein Herz, das nicht bereit ist zu leiden, sollte sich ein Leben lang von der Liebe fern halten.“3 Das Leben Jesu zeigt uns, wie wir mit Schwierigkeiten umgehen sollen. Er ist vor dem Kreuz nicht weggelaufen. Er hat es auch nicht bloß akzeptiert: Er wollte es umarmen. Und als er die Last der Erschöpfung spürte, entschied er sich, lieber zusammenzubrechen, als es loszulassen.4 Für die Menschen war dieses Holz ein Symbol des Todes, für Jesus war es das Werkzeug seiner Liebe: der Thron, von dem aus er uns von unseren Sünden erlösen würde.

Der Starkmut hilft uns, den Schmerz anzunehmen. Gleichzeitig drängt er uns, die Gründe zu sehen, die unseren Kämpfen Sinn geben, wenn Schwierigkeiten auftreten. Jedes Opfer, das wir freiwillig bringen, jeder Widerspruch, den wir geduldig ertragen, jede Überwindung, die wir aus Liebe auf uns nehmen, bestärkt uns in der Überzeugung, dass unser Glück in Gott liegt, mehr als in jeder anderen Wirklichkeit. Der tägliche Kampf wird so zu einer fortschreitenden Eroberung des höchsten Gutes, was uns die künftige Herrlichkeit vorkosten lässt, nach der wir streben: Der Kampf wird zu einem Weg der Hoffnung.

Deshalb verzweifelt der starkmütige Mensch nicht, verliert nicht die Fassung angesichts von Misserfolgen oder wenn die Früchte seiner Arbeit auf sich warten lassen. Der Starkmut befähigt uns, „bis zum letzten Augenblick aus Liebe zu kämpfen“5, wie der heilige Josefmaria sagte, mit dem Blick auf das Ziel, das wir anstreben. Die Jungfrau Maria verstand es, die Apostel zu stützen, als Jesus gestorben war. Sie lässt auch uns nicht im Stich, wenn es scheint, dass ihr Sohn nicht da ist: Sie erfüllt uns mit ihrem Starkmut und lädt uns ein, unsere Augen auf die Auferstehung Jesu zu richten.


1 Franziskus, Tagesmeditation, 13.4.2018.

2 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 795.

3 A los árboles altos, spanisches Volkslied.

4 Vgl. hl. Josefmaria, Kreuzweg, VII. Station, Nr. 1.

5 Hl. Josefmaria, Zeit der Sühne, Nr. 4, in: Im Zwiegespräch mit dem Herrn.