Das Mysterium des sagenumwitterten Opus Dei ...

ist eigentlich banal. Es dreht sich um den ganz gewöhnlichen Alltag.“ – So der Vorspann zu einem Beitrag, den wir aus der Zeitschrift Komma übernehmen. Der Autor legt Grundzüge der Prälatur dar und schildert am Ende seinen eigenen Weg in das Opus Dei.

An der Heiligsprechung des Gründers des Opus Dei durch Papst Johannes Paul II. im Jahre 2002 in Rom nahmen annähernd 300.000 Menschen aus aller Welt teil.

Moskau, Frühjahr 1980: Der orthodoxe Priester Alexandr Men, in dessen Gemeinde sich die Intelligentzia sammelt, trifft sich wie oft mit einem Kreis seiner Getreuen. Seine Ausführungen werden auf Tonband mitgeschnitten: „Seit einigen Jahrzehnten gibt es im Westen eine Bewegung namens Opus Dei, Werk Gottes. Es wurde von einem Portugiesen gegründet. Er heißt Josemaría Escriva. Die Bewegung ist in der Welt weit verbreitet. Escriva hat ein kleines Buch geschrieben,‚Der Weg’, eine Sammlung von Aphorismen. Ich hoffe, daß wir es eines Tages übersetzen, damit Sie es lesen können. Escriva sagt, daß Christsein nicht heißt, ein gutbürgerliches Leben zu führen wie ein Heide, um dann Sonntags vielleicht zwei Stunden der geistlichen Erhebung zu widmen. Christ sein bedeute, es immer zu sein, jeden Tag, in den gewöhnlichsten Situationen und Dingen.“ Aleksandr Men wurde 1990 auf dem Weg zu seiner Kirche erschlagen. Seine eigenen geistlichen Schriften erreichten allein in Russisch eine Gesamtauflage von 6 Millionen. 

So erzählt es einer der damals Anwesenden, der Moskauer Dichter und Schriftsteller Aleksandr Zorin. Vater Men hatte ihn zum orthodoxen Christentum bekehrt und 1975 getauft. Dass Vater Men den hl. Josemaría Escrivá für einen Portugiesen hielt, lag daran, dass  unter sowjetischen Verhältnissen nähere Informationen wie die, daß Escrivá Spanier war, kaum zugänglich waren. Vater Aleksandr Men habe dann, so Zorin, bei öffentlichen Auftritten über den hl. Josemaría Escrivá und die laikale Spiritualität des Opus Dei offen gesprochen.  

Ein Buch, das Weltsicht und Poesie verändert 

Von Escrivás Buch Der Weg habe er selbst, Alik Zorin, dann eine Samizdat in Russisch ergattert – eine kaum lesbare fünfte Durchschlagpapier-Kopie. Die literarische Dichte der Aphorismen und die unkonventionelle Verbindung von geistlicher Betrachtung und lebenspraktischer Herausforderung habe ihn gleich fasziniert. „Für mich“ sagt Zorin, „istDer Weg mehr als Literatur. Er leitet zum Handeln an, er ist eine Blaupause für die Umsetzung des Evangeliums ins Leben – von zeitloser Relevanz. (...) Ich habe das Buch zu einem Stück von mir gemacht, zu meinem Ausgangspunkt! Mich fasziniert sein stenographischer Stil – eine Stenographie des Geistes. Die wollte ich in meine poetischen Fassungen hineinholen.“  Zorin übertrug Teile von Der Weg in Verse. Der Komponist Yuri Pasternak hat sie in Ton gesetzt.  

20 Jahre lang habe er, sagt Zorin, Entdeckung um Entdeckung gemacht. Das Buch habe seine Weltsicht verändert und auch sein Verhältnis zur eigenen Poesie revolutioniert. Ein Dichter brauche ein Gegenüber, mit dem er im Dialog stehe, ein Publikum, das ihn legitimiere. Als nach Einführung der Marktwirtschaft in Rußland Lyrik kaum noch verkäuflich gewesen und folglich auch kaum noch gedruckt worden sei, habe er nach und nach begriffen, daß er nicht mehr irgendeines Publikum draußen bedurfte, um seine Arbeit zu legitimieren. Gott sei seitdem sein erstes Publikum und seine Jury. Ihm verdanke er ja auch sein Talent. Dabei erinnert er an die Erzählung des Heiligen Josemaría, der in Burgos gern mit den jungen Leuten auf einen Turm der Kathedrale stieg und sie auf die Filigranarbeit des gotischen Maßwerks aufmerksam machte: wahre Wunderwerke, die von unten gar nicht zu sehen sind. Diese Handwerker haben offenbar für Gott gearbeitet. 

Heiligkeit im Alltag 

Der Gründer des Opus Dei sagt, dass Christsein nicht heißt, ein gutbürgerliches Leben zu führen wie ein Heide, um dann sonntags vielleicht zwei Stunden der geistlichen Erbauung zu widmen. Christ sein bedeute, es immer wieder zu sein, jeden Tag, in den gewöhnlichen Situationen und Dingen. Mit der Betonung der Berufung aller Getauften zur Heiligkeit bestätigte das II. Vatikanische Konzil seine Botschaft.

„Heiligung der Arbeit“: Mit diesem Stichwort trifft die Entdeckung des Orthodoxen Zorin einen Kern der Botschaft des zutiefst katholischen Josemaría Escrivá, der seit der Gründung des Opus Dei am 2. Oktober 1928 unentwegt daran erinnert hat, dass – wurzelnd im Gottesdienst und sakramentalen Leben – der Alltag in der Familie, im Beruf, im Freundeskreis und in der Gesellschaft zumal für die Laienchristen der normale Ort ihrer Begegnung mit Gott und der Stoff ihrer Heiligung ist. Was Heiligkeit im Alltag praktisch bedeutet, hat Escrivá einmal – so zitiert ihn die Kirchenhistorikerin Elisabeth Reinhardt – handfest so auf den Punkt gebracht: „Heiligkeit ist, fortwährend gegen die eigenen Fehler zu kämpfen. Heiligkeit ist, die Pflicht jeden Augenblicks zu erfüllen, ohne sich Ausreden zu suchen. Heiligkeit ist, den anderen zu dienen, ohne irgendwelche Gegenleistungen zu erwarten. Heiligkeit ist, die Gegenwart Gottes zu suchen – den dauernden Umgang mit ihm – durch Gebet und Arbeit, die in einem beharrlichen Dialog mit dem Herrn verschmelzen. Heiligkeit ist die Sorge um die Seelen, die uns uns selbst vergessen läßt. Heiligkeit ist die positive Antwort jeden Augenblicks in unserer persönlichen Begegnung mit Gott.“  

Weil die Welt aus den Händen Gottes stammt, ist sie gut. Wir sind mit ihr beschenkt. Das Hässliche in ihr entstammt unserer Untreue als Sünder. Der Schöpfungsbericht, dem wir das Wissen vom Geschenk der Welt verdanken, klärt uns auch über unsere Rolle in ihr auf. Der Auftrag zu arbeiten und sie zu bewahren, wird vor dem Sündenfall erteilt. Es ist aber, wie der Sündenfall dann zeigt, nicht ein Programm der Emanzipation, sondern der Treue zu Gott, der den Menschen würdigt, an seiner Schöpfermacht teilzuhaben und an der Vollendung der Schöpfung mitzuwirken. 

Seit dem Scheitern des Menschen und seiner Vertreibung aus dem Paradies treibt die Arbeit den Schweiß ins Angesicht. Mühsal, Leid und Tod gehören zum Gesetz des Lebens. Im biblischen Drama von Treue, Ärgernis und Stolz dauert die Versuchung fort. Zugleich ruft die Geschichte der mit Mühsal und Leiden belasteten menschlichen Niederlagen immer wieder die versprochene Erlösung aus dieser Lage wach. Gott erfüllt sein Versprechen. Menschwerdung des Gottessohns aus Liebe, Eintritt in die Geschichte, an einem konkreten Ort, zu einer konkreten Zeit, in konkrete Verhältnisse einer konkreten Familie – in eine Situation wie die eines jeden von uns. Sie lädt uns ein, in unserer zeitgenössischen Lebens und Arbeitswelt unseren Mann zu stehen, indem wir uns mit Jesus, „des Zimmermanns Sohn“ verbinden, der – vollkommener Mensch und vollkommener Gott – in der Werkstatt Josefs arbeitet. 

Arbeit und Gebet 

Als Kinder Gottes mit dem Bemühen, in allem – ob Arbeit, Familie, Erholung, Freundes- und Kollegenkreis oder gesellschaftlichem Engagement – den Umgang mit Ihm zu pflegen und ihm besser gerecht zu werden: Alltagsbetrieb und Gebet greifen ineinander, verschmelzen zur Einheit des Lebens. Voraussetzung: Vertrauen auf die Gnade Gottes, intensive, gar möglichst verbindliche Praxis des Gebets und der Sakramente, stete Übung in den Tugenden im Umgang mit den anderen und Ernstnehmen der eigenen Aufgaben. Schlampige Arbeit können wir Gott als Opfer nicht anbieten. Mit innerer Freiheit – aus Liebe zu Christus. Dazu gehört selbstverständlich auch – weil Liebe, die echt ist, ihr Glück mitteilen will – der entschiedene Wille, auch anderen die Nähe Christi zu erschließen und den Glauben weiterzugeben.  

„Wir sind gekommen“, antwortete Escrivá 1966 dem Korrespondenten der New York Times Tad Szulc, „um von neuem auf das Beispiel Christi aufmerksam zu machen, der dreißig Jahre lang in Nazaret gearbeitet und ein Handwerk ausgeübt hat. Unter den Händen Christi wird die Arbeit – eine berufliche Arbeit, wie sie Millionen Menschen in der ganzen Welt verrichten – zu einem göttlichen Werk, zu einer Erlösungstat und zu einem Weg des Heiles.“ 

Eine solch kontemplative und zugleich asketische wie apostolische Spiritualität der Arbeit und des alltäglichen Lebens prägte der hl. Josemaría zuerst seinen geistlichen Töchtern und Söhnen im Opus Dei ein, die ihre Lebbarkeit und Fruchtbarkeit erwiesen. Die Botschaft reicht aber weit über das Opus Dei hinaus in die ganze Kirche und in die Gesellschaft. 

„Der heilige Josemaría“, so drückte das Kardinal Meisner 2002 im Kölner Dom aus: „ist und bleibt der Gründer des Opus Dei, aber er gehört uns allen in der Kirche.“ Mit der Betonung der Berufung aller Getauften zur Heiligkeit bestätigt das II. Vatikanische Konzil die Botschaft. Es hebt zugleich auch die äußere Freiheit der katholischen Laien in den zeitlichen (kulturellen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, politischen, etc.) Fragen hervor, die der hl. Josemaría im Opus Dei zeitlebens verteidigt hat. Das Konzil gibt eigens den Laien auf, diese Fragen zu regeln, gemäß christlich gebildetem Gewissen, wie sich versteht und manchmal überlesen wird.  

Berufung und Freiheit der Laien 

Papst Johannes Paul II. nannte den Gründer des Opus Dei bei seiner Heiligsprechung den Heiligen des gewöhnlichen Lebens. „Gewöhnliches Leben“: nichts Besonderes also, das Leben von jedermann, des normalen katholischen Bürgers ohne Sonderstatus, wie er etwa die Angehörigen des Klerus oder des Ordensstands auszeichnet. Für die Frage „Was ist das Opus Dei?“ ist dieser höchst einfache Sachverhalt entscheidend. Seine Nichtbeachtung ist die Hauptquelle von Missverständnissen. Neben der Mehrzahl der Verheirateten gibt es im Opus Dei auch Laien, die für sich den Zölibat bejahen. Das ist unter Katholiken sonst nicht ganz außergewöhnlich, aber auch nicht sehr geläufig. 

Für die Berufung im Opus Dei bedeutet es Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebensumstände, begründet aber keine Rangstufung und liefert schon gar keinen Grund, am Laien-Status der oder des aus freier Gotteshingabe Ehelose(n) zu zweifeln. Das mag neu erscheinen. Die traditionelle Vorstellung, dass Laienchristen zwar auch christlich leben können, aber doch nicht so ernsthaft wie Ordensleute und geweihte Priester, verführt immer noch manchen, der sich mit Neuem schwertut, das Opus Dei als Orden darzustellen. Oder die ihm angehörigen Katholiken als Leute, die elitär, also etwas Besonderes sein wollen. So mitunter auch Journalisten, die sich nicht informieren oder die Missverständnisse gern polemisch ausnutzen. Das Gegenteil ist der Fall: Sie sind bewusst normale freie katholische Bürger und handeln in der Gesellschaft auch so – nicht im Auftrag und Namen der kirchlichen Institution, sondern im eigenen Namen.  

„Wir dürfen nie vergessen“, sagte der hl. Josemaría 1967 in einem Interview, „daß – auch unter Katholiken – ein gesunder Pluralismus der Meinungen in allen Angelegenheiten, die Gott der freien Diskussion der Menschen überlassen hat, nicht nur mit der hierarchischen Ordnung und der notwendigen Einheit des Volkes Gottes völlig im Einklang steht, sondern sie sogar stärkt und vor Verfälschungen bewahrt.“ Noch zugespitzter 1968, auch gegen klerikale Bevormundung der Laien in weltlichen Sachfragen gewandt: „Eine der größten Gefahren, die die Kirche heute bedrohen, könnte darin bestehen, (die) göttliche Forderung der christlichen Freiheit nicht anzuerkennen und aus Gründen einer vermeintlich größeren Wirksamkeit den Christen eine weitgehende Gleichgestaltung aufzwingen zu wollen.“  

Amüsante Kritik 

Vittorio Messori, Der „Fall“ Opus Dei, 324 Seiten, geb. mit Schutzumschlag, 21,00 EUR, ISBN 978-3-928272-42-X, Bestellung: MM Verlag, Tel. 0241/60 90 1-0, Fax: 0241/60 911-15 oder per Mail an info@mm-verlag.com.

In diesem Zusammenhang ist es geradezu amüsant, wenn manche – auch katholische – Kreise dem Opus Dei vorhalten, es tarne sich hinter weltlichen Initiativen seiner Mitglieder, oder hinter Vereinen, die diese ins Leben rufen. Angehörige des Opus Dei sehen es genau umgekehrt: In weltlichen Enga- gements verbergen sie sich nicht hinter der kirchlichen Prälatur, noch handeln sie in deren Schutz (wobei sie sie womöglich auch kompromittieren könnten), sondern als freie Bürger in persönlicher Verantwortung. So empfiehlt es den Laien auch, zumal in der pluralistischen Gesellschaft, die Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute des II. Vat. Konzils (GS, 76). 

Man stelle sich vor, hierzulande machten Abertausende von gläubigen Christen, in gleich welchen Situationen und Berufen, plötzlich in dem Sinne ernst mit ihrem Glauben, daß sie bei allem, was sie tun – zu Hause, in der Werkstatt, im Geschäft, in der Schule, im Theater, in der Wissenschaft, in der Politik –, vor allem bestrebt sind, es aus Liebe zu Christus zu tun. Wer würde nicht, wenn er stets Christus vor Augen hätte, fast alles besser tun? Und wäre nicht endlich auch die Trennung überwunden zwischen unserem Alltag und unserem Verhältnis zu Gott – und zwischen den verschiedenen „Rollen“, die wir auf der Bühne der Gesellschaft jeweils spielen? Der Schreinermeister Meyer, der Familienvater Meyer, der Kirchgänger Meyer und der Kommunalpolitiker Meyer wären endlich ein und derselbe Herr Meyer: Leben aus einem Guß.  

Personalprälatur und Heiligsprechung 

Papst Johannes Paul II. hat das Opus Dei 1982 zur Personalprälatur erhoben, ähnlich einem Bistum ohne territoriale Grenzen, bestehend wie dieses aus eigenem Prälaten (Bischof) mit eigenem, aus den Laien im Opus Dei hervorgehenden Klerus und normalen Gläubigen. Letztere unterstehen im übrigen zugleich dem Ortsbischof des Bistums, in dem sie leben. Es ist schlicht ein Teil der hierarchisch verfassten Weltkirche. Personalprälatur ist  eine vom II. Vatikanischen Konzil angestoßene kirchenrechtliche Neuschöpfung – insofern, weltlich ausgedrückt, also höchst modern. Weil sie dem erwähnten „nichts Besonderes“ der dem Opus Dei angehörigen Gläubigen gerecht wird, hat das Opus Dei als Personalprälatur eine seinem Wesen gemäße Einordnung in die Struktur der Katholischen Weltkirche gefunden. Näheres darüber finden Interessenten im Internet unter www.opusdei.de

Dort findet sich auch manche maßgebliche Stimme aus der katholischen Kirche zum Opus Dei, wenn denn Papst Johannes Paul II. und Kardinal Ratzinger/ Papst Benedikt XVI. oder der Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Lehmann und Erzbischof Dr. Robert Zollitsch – so in seinem jüngsten Brief zum 80. Geburtstag des Opus Dei am 2. Okt. 2008 – und die Kardinäle Meisner, König, u.v.a.m.  

Papst Johannes Paul II. hat den Gründer 1992 selig, 2002 heilig gesprochen und seinen Nachfolger als leitenden Prälaten 1991 zum Bischof geweiht. Kardinal Ratzinger über Escrivá: „...jenes Vertrauen, dass Gott sich nicht aus der Welt zurückgezogen hat, sondern heute noch am Werk ist und wir uns einfach ihm zur Verfügung stellen sollen und somit fähig werden, auf seinen Ruf zu hören, das ist für mich eine Botschaft von größter Bedeutung”. 

Der Gründer und die Päpste 

Papst Pius XII. nannte Escrivá schon zu Lebzeiten „einen wahren Heiligen, einen Mann, von Gott gesandt für unsere Zeit“ und bahnte dem Opus Dei den Weg in die Weltkirche. Johannes XXIII. sah in seinem Werk „ganz unerwartete apostolische Perspektiven“ für die Kirche. Nicht zuletzt war er beeindruckt von Escrivás ökumenischer Praxis, ins katholische Opus Dei  als Mitarbeiter auch Nichtkatholiken und Nichtchristen aufzunehmen. Paul VI. bezeichnete Escrivás Botschaft, daß nicht nur einige wenige (etwa Priester und Ordensleute), sondern alle Menschen von Gott zur Heiligkeit berufen sind, als „den eigentlich spezifischen Teil der gesamten Lehraussage des Konzils und sozusagen dessen tiefstes Anliegen.“ Auch Papst Johannes Paul I. würdigte schon, bevor er sein kurzes Pontifikat antrat, Escrivás Spiritualität „als besonders den gläubigen Laien auf den Leib geschnitten.“ 

Der Wiener Kardinal König brachte zum Ausdruck, daß Escrivá mit dem Opus Dei, schon als er es im Jahre 1928 gründete, „vieles vorwegnahm, was mit dem II. Vatikanischen Konzil Allgemeingut der Kirche geworden ist.“ Und in Köln erklärte Kardinal Höffner, Escrivás Werk sei „kirchengeschichtlich providentiell und von einer heilenden Kraft, deren Wert kaum überschätzt werden kann.“ Und Kardinal Meisner  sagte 2002 im Kölner Dom, wir hätten Josemaría Escrivá die Wiederentdeckung zu verdanken, „daß Heiligkeit kein Privileg für besondere Gruppen in der Kirche ist, sondern die schlichte und selbstverständliche Berufung jedes Christen, ob im Kloster oder in der Welt.“ Sonst läge in der Kirche eine unerträgliche Diskriminierung vor. Es gebe aber in der Kirche keine Zwei- klassengesellschaft.  

Personen statt „das“ Opus Dei 

Bei meiner Begegnung mit dem Opus Dei hat das alles noch keine Rolle gespielt. Anders als Alik Zorin habe ich zuerst weder etwas über das Opus Dei noch Schriften des Gründers gelesen. Ich bin gar nicht eigentlichdem Opus Dei’begegnet. Ich habe Personen kennengelernt. Die wurden meine Freunde. Sie haben mir von Hingabe mitten in der Welt erzählt, von „Berufung“, eben vom Opus Dei. Das fand ich gut, aber wohl eher etwas für meinen Bruder. Der hatte für solche Dinge schon immer mehr „eine Antenne“ gehabt.

Diese Freunde haben mich beeindruckt – mit meist ganz einfachen Dingen. Der Georg zum Beispiel. Wir arbeiteten zusammen im Labor. Plötzlich steht er auf und sagt: Es ist zwölf, beten wir den Engel des Herrn? Klingt komisch. Aber das war echt. Georg hatte viel um die Ohren, war immer gut gelaunt und hatte für mich oft soviel Zeit, als hätte er kaum etwas zu tun. Was mich bedrückt hätte, steckte er einfach weg. Religiöse Gespräche waren nicht häufig, aber immer sehr persönlich. Er war hartnäckig. Ich auch. Lange Zeit jedenfalls. Irgendwann fing die Sache an, mich „zu kratzen“. Dem Georg aus dem Weg gehen? Feigheit! Mich kratzte nicht der Georg, das war klar. Wer immer da kratzte, er kratzte schließlich mit Erfolg. Dem Georg bin ich für bei Geburtshilfe zu meinem „Ja“ aber auch noch dankbar. 

von Hans Thomas, Komma, Nr. 56 2008, S. 68–72