Arbeit und Familie: wie in Einklang bringen?

Wir arbeiten und wollen dabei unsere Familie glücklich machen. Manchmal wird die Arbeit jedoch zum Anlass einer Distanzierung. Wie können wir ein intensives Arbeitsleben mit Zeit für Ehegatte und Kinder verbinden?

Heute trifft man viele Ehepaare, die ständig in Spannung sind, weil sie Berufsleben und Familie zu vereinbaren suchen. Es fehlt ihnen an Zeit und Energie, um alles schaffen zu können: Betreuung der Kinder, Haushaltspflege, berufliche Erfordernisse… Diese Spannung kann sich sehr negativ auf die Familie auswirken. Trotz ihrer Bemühungen fühlen sich die Ehepaare oft überfordert von den Ansprüchen des Lebens unserer Zeit. Was ist da los?

Familienleben und Arbeit

Die Herausforderung, Familienleben und Arbeit miteinander zu vereinbaren, taucht als neues und komplexes Phänomen auf. Es scheint, dass viele Ehepaare noch keine Lösung dafür gefunden haben. Vielleicht war der ausschlaggebende Grund dafür die massive Eingliederung der Frau in den Arbeitsmarkt, die im 19. und 20. Jahrhundert erfolgte. Sie bewirkte eine Veränderung in einem bis dahin ruhigen Bereich, in dem es eine klare Aufgabenteilung gab: der häusliche Bereich war eher die Angelegenheit der Frau, die Arbeit außer Haus die des Mannes. Wenn wir uns mit der gegenwärtigen Situation der Familie beschäftigen, dann sehen wir ein zwiespältiges Bild. Das Apostolische Schreiben Familiaris Consortio beschreibt sie folgendermaßen: „Einerseits ist man sich der persönlichen Freiheit mehr bewusst, schenkt der Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen in der Ehe, der Förderung der Würde der Frau, der verantworteten Elternschaft, der Erziehung der Kinder größere Aufmerksamkeit; man weiß darüber hinaus um die Notwendigkeit der Entwicklung von Beziehungen zwischen den einzelnen Familien zu gegenseitiger spiritueller und materieller Hilfe; man entdeckt wieder neu die der Familie eigene ekklesiale Sendung und ihre Verantwortung für den Aufbau einer gerechteren Gesellschaft. Andererseits aber gibt es Anzeichen einer besorgniserregenden Verkümmerung fundamentaler Werte: eine irrige theoretische und praktische Auffassung von der gegenseitigen Unabhängigkeit der Eheleute; die schwerwiegenden Missverständnisse hinsichtlich der Autoritätsbeziehung zwischen Eltern und Kindern; die häufigen konkreten Schwierigkeiten der Familie in der Vermittlung der Werte; die steigende Zahl der Ehescheidungen; das weit verbreitete Übel der Abtreibung; die immer häufigere Sterilisierung; das Aufkommen einer regelrecht empfängnisfeindlichen Mentalität.“ 1

Diese Synthese kann uns als Orientierungshilfe für jede Lebenssituation dienen (Privatleben, Arbeit, Familie, Gesellschaft usw.) und ihr den Ort und die Relevanz zuschreiben, die ihr zukommen.

Der Sinn der Arbeit

Zunächst sollte man bedenken, dass die Arbeit irgendwie in allen Lebensbereichen zugegen ist, als ehrenamtliche, berufliche, Haus- oder Sozialarbeit usw. So wie Jesus Christus und der Vater kann auch der Christ immer arbeiten und sich einsetzen: „Mein Vater ist noch immer am Werk und auch ich bin am Werk.“ 2

Die Arbeit ist etwas dem Menschen ganz Vertrautes. Wir wurden zum Arbeiten geschaffen 3, und zwar nicht nur, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen, sondern auch, um zum sozialen Fortschritt und zum Wohl der ganzen Menschheit beizutragen. Wie Gaudium et Spes erklärt, hat Gott beschlossen, Mann und Frau zu erschaffen, damit sie die Dinge der Erde in Gerechtigkeit und Heiligkeit regieren sollten. In dieser Tätigkeit besteht ihre Arbeit. Im ursprünglichen Sinn ist die Arbeit nichts anderes als die Tätigkeit des Menschen, der in die materielle Schöpfung eingreift. Im Prinzip sind wir zum Arbeiten geschaffen: „Homo, quasi adiutor est Dei“, der Mensch ist gleichsam Gehilfe Gottes, wie es der hl. Thomas von Aquin kühn ausdrückte. Denn die Schöpfung ist als Werk Gottes zwar vollkommen, sie kann aber durch die Freiheit des Menschen noch weiter vervollkommnet werden.

Wir wissen allerdings auch, dass nach der Erbsünde Schmerz und Müdigkeit die Arbeit begleiten. Der Stolz ist jedoch noch vor der Müdigkeit die schlimmste Folge der Sünde: das Zerrbild der Arbeit, das uns vergessen lässt, dass wir Gehilfen Gottes sind, so dass wir die Begriffe ins Gegenteil verkehren und durch die Arbeit zu Göttern werden wollen.

Wir sind Mitarbeiter Gottes in der Familie, bei der Betreuung der Kinder und in der beruflichen Arbeit. Wenn wir uns vom Stolz oder von der Trägheit leiten lassen, dann treffen wir nicht die richtigen Entscheidungen, um das Gleichgewicht in unserer Familie zu erlangen. Zum Beispiel könnten uns übertriebener Berufsstolz oder die Weigerung, weniger glanzvolle Aufgaben zu übernehmen, dazu führen, dass wir die Familie vernachlässigen, in der wir die größte Quelle des Glücks finden.

Einheit des Lebens

Beruflicher und häuslicher Bereich dürfen keinen Gegensatz bilden, denn in Wirklichkeit ergänzen sie sich ja: Das familiäre Ambiente wird durch das Berufsleben bereichert, und gleichzeitig bekommt das Berufsleben von der familiären Perspektive her Sinn und Freude.

Darauf hat auch der hl. Josefmaria bei der Beantwortung einer Frage hingewiesen: „Beide Arbeiten sind vereinbar, du machst sie vereinbar. Heute haben fast alle Menschen mehrere Beschäftigungen. (…) Und ich sage dir, du hast recht, es sind zwei total miteinander vereinbare Arbeiten.“ 4

Trotzdem bemerkt Papst Franziskus: „Die Familie ist ein großer Prüfstein. Wenn die Organisation der Arbeit sie als Geisel hält oder sogar ihren Weg behindert, dann können wir sicher sein, dass die menschliche Gesellschaft begonnen hat, gegen sich selbst zu arbeiten! Dieser Stand der Dinge gibt den christlichen Familien eine große Herausforderung und eine große Sendung. Sie führen die Grundlagen der Schöpfung Gottes ins Feld: die Identität und den Bund von Mann und Frau, die Zeugung von Kindern, die Arbeit, die die Erde zum Heim und die Welt bewohnbar macht.“ 5

Eine echt christliche Einstellung veranlasst uns dazu, unseren Aufgaben als Eltern, Eheleute, Freunde, Kollegen usw. den geziemenden Vorrang einzuräumen. Der Kampf um die Aufrechterhaltung der Einheit des Lebens besteht darin, dass man Prioritäten setzt, das heißt, dass wir überall, wo wir uns befinden, den Blick auf die höchsten Ziele richten, auf die Liebe zu Gott und zu den anderen.

Diese Ziele helfen uns, die vielen verschiedenen Beschäftigungen nach dem Rang, den sie in Bezug auf dieses Lebensideal haben, zu ordnen und gleichzeitig zu versuchen, dass wir intensiv arbeiten und dabei das Beste herausholen. Der hl. Josefmaria pflegte gerne zu sagen, dass wir mit den Füßen fest auf der Erde stehen, den Blick aber zum Himmel richten sollten. Es geht ja nicht so sehr darum, dass wir die verschiedenen Tätigkeiten jeden Tages nur miteinander vereinbaren, sondern dass wir sie in ein harmonisches Ganzes integrieren, oder dies zumindest tagtäglich versuchen.

Die Arbeit im Haushalt

Es wird heute vielfach der Versuch gemacht, ein Bild der Ehe zu entwerfen, das den Bedürfnissen verschiedener Familien angepasst ist: kinderlosen Familien, Familien mit vielen oder mit wenigen Kindern, Familien mit pflegebedürftigen Kindern, mit Großeltern, die Betreuung benötigen… Wenn sich einer der Ehegatten für die Haushaltsführung entscheidet, so ist das legitim. Es gibt tatsächlich viele Mütter, die ausschließlich den Haushalt besorgen wollen. Auch sie müssen diese Arbeit mit beruflicher Mentalität verrichten und mit dem Familienleben vereinbaren.

Die Betreuung des Haushalts bedeutet, dass man im täglichen Zusammenleben auf tausend Kleinigkeiten achtet. Wenn man das aus Liebe tut, dann hat das große menschliche und übernatürliche Auswirkungen. Eine englische Mutter von fünf Kindern erklärt: „Im Grunde besteht der Großteil des Lebens aus kleinen Dingen: nach Arbeitsschluss aus Liebe alles ordentlich hinterlassen; stinkende Socken waschen und es für die apostolische Arbeit der Kirche in Kasachstan aufopfern; einem Kind zuhören, obwohl ich erschöpft bin und mir fünf Minuten Ruhe wünschen würde; zu dem Verkäufer höflich sein, der gerade anruft, wenn ich das Essen auf den Tisch stelle…“

Richtlinien für das Gleichgewicht zwischen Beruf und Familie

Im ersten Teil dieses Artikels war die Rede von der Einheit des Lebens und der erstrebenswerten Vereinbarung von Berufsarbeit und Familienleben. In diesem zweiten Teil werden einige Richtlinien dargelegt, wie man in der Bemühung um die Vereinbarung dieser beiden Gebiete weiterkommen kann. Man könnte vier Regeln aufstellen: die Dinge vorverlegen, die Dinge in die Hand nehmen, die Dinge erlernen, und lieben.

  • Vorverlegen
  • In die Hand nehmen
  • Lernen
  • Lieben

Damit man alles schafft, muss man praktisch denken und die Arbeiten wenn möglich vorverlegen. Als Erstes kann man, wenn man früh genug dran ist, die großen und wichtigen Brocken anpacken, damit für jede Aufgabe genügend Platz und Zeit bleibt. Damit man die Dinge aber vorverlegen kann, muss man die Prioritäten klar vor Augen haben: Gott, die anderen und ich – so kann man kurz die Wertordnung zusammenfassen, die das christliche Leben leiten sollte.

Das kann manchmal bedeuten, dass für jede Arbeit Tag und Stunde festgelegt werden muss und nichts der Improvisation überlassen werden darf. Nur wenn man einen Plan hat, kann man flexibel sein und Platz schaffen für das Unvorhergesehene, das sich im Laufe des Tages ergibt.

Eine Möglichkeit, die Dinge vorzuverlegen und flexibel zu sein, besteht darin, dass man auf die Haushaltsführung einige Prinzipien anwendet, die sich bei der Unternehmensführung bewährt haben: Man legt Ziele, Strategien und Prioritäten fest sowie die Aufgaben, die delegiert werden können und die dem Betreffenden rechtzeitig mitgeteilt werden müssen. Wenn die Familie das „wichtigste Geschäft überhaupt“ ist, dann muss jeder Schritt organisiert und geplant werden. Wenn man alles der Spontaneität überlässt, dann sind Friede und Ordnung, die für das Zusammenleben nötig sind, nicht gesichert.

Eine Redensart besagt: was viel wert ist, kostet auch viel. Daher ist es am besten, wenn man die dafür nötige körperliche und geistige Energie möglichst bald erwirbt. „Die Herausforderung des inneren Gleichgewichts besteht darin, dass man das Projekt der eigenen Familie konsequent verwirklicht. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man durch die großartige Tatsache, verheiratet zu sein, eine Reihe von Verpflichtungen auf sich genommen hat und sich um deren Erfüllung bemühen muss. Dabei müssen wir vor falschen Ausreden fliehen, die die Erfüllung dieser Pflichten be- oder verhindern und uns mit Realismus jeder Situation stellen, die sich im Leben ergibt.“ 6

Wenn man während bestimmter Lebensabschnitte zeitweise zu Hause oder außerhalb sehr viel Arbeit zu bewältigen hat, dann braucht man eine gehörige Portion an Realismus und Großzügigkeit. Auch sollte man losgelöst sein vom Hang zum Perfektionismus und von persönlichen Absonderlichkeiten.

Wir sind nicht allein, und wir sind auch nicht die Einzigen, die Arbeit und Familie zu vereinbaren suchen. Man kann das Leben mit seinen zahlreichen Aufgabenbereichen auf verschiedene Art meistern. Man kann zum Beispiel viel lernen bei den Kursen über Familienorientierung oder durch die Berichte anderer Eltern, die darum kämpfen, als Christen zu leben und in ihrem Leben Familie und Arbeit miteinander zu vereinbaren.

Konkret gesehen erfordert die Aufrechterhaltung des richtigen Gleichgewichts zwischen Arbeit und Familie oft, dass wir unser kostbarstes Kapital gut verwalten, nämlich die Zeit. Es gibt verschiedene Tricks und Ratschläge, die die verfügbare Zeit vervielfältigen:

  • „Tu was du sollst und sei ganz in dem, was du tust“, sagte der hl. Josefmaria. 7 Wenn wir uns auf jede Sache von neuem konzentrieren und versuchen, sie in der vorgesehenen Zeit zu erledigen, dann gibt es keine Zeitverschwendung. Wir können es auch Gott aufopfern und uns nicht durch die gleichzeitige Beschäftigung mit verschiedenen Dingen zerstreuen.
  • Eine bestimmte Zeit festlegen für die berufliche Arbeit. Man sollte unbedingt ein wöchentliches Zeitlimit für die Arbeit außerhalb des Hauses festsetzen. Die Zeit für die Kinder und den Ehegatten muss uns heilig sein.
  • Fruchtlose Beschäftigungen wie nichtssagende Fernsehprogramme, unnötige oder schädliche Gespräche usw. vermeiden. Das sind echte Zeiträuber. Nuria Chinchilla meint, dass wir manchmal die Schuld an unserem Zeitdruck auf andere oder auf die Umstände schieben, obwohl wir oft Zeit vergeuden mit unwichtigen Beschäftigungen. „Es wäre nicht schlecht, zuerst einmal auf uns selbst zu schauen. Denn das ist das Einzige, was wir wirklich ändern können. Ganz bestimmt entdecken wir dabei Mängel in unserer persönlichen Organisation: wir haben unklare Prioritäten, wir delegieren zu wenige Aufgaben an die Mitarbeiter, wir sind zu optimistisch bei der Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und des Arbeitspotenzials, wir übernehmen voller Überheblichkeit einen viel zu großen Aufgabenbereich, wir sind unpünktlich und richten uns nicht nach dem Zeitplan, wir schieben wichtige Entscheidungen auf oder überstürzen sie…“ 8
  • Auf die Qualität der Zeit achten. Ein gesundes Familienleben braucht sowohl viel gemeinsam verbrachte Zeit, als auch eine gewisse Qualität dieser Zeit, damit wir die Funktion, die uns als Eltern und Ehepartner zukommt, auch richtig entfalten können. Eine Möglichkeit wäre, dass man die Wochenenden und den Urlaub als frei verfügbare Zeit besonders dafür verwendet, sich um die Ehe und um die Kinder zu kümmern, so dass das angestrebte Gleichgewicht in der Familie Fortschritte macht. Dabei können wir an gemeinsam unternommene Aktivitäten denken, die uns bereichern und unsere Position innerhalb der Familie besser wahrnehmen lassen. Wenn wir dieser Zeit mit dem Ehepartner und den Kindern keinen Vorrang einräumen und spannende Ferien organisieren, die zwar spannend sind, in denen wir uns jedoch den anderen nicht mit Ruhe widmen können, dann haben wir bei diesem gemeinsamen Projekt für unsere Ehe und Familie keine Fortschritte gemacht.
  • Zeiten für das Nachdenken festlegen. Je vielfältiger die verschiedenen Aufgaben sind, die wir erledigen müssen, desto notwendiger sind „Haltepunkte“ während des Tages, an denen wir überlegen können, wie wir sie besser organisieren können. Für einen Christen sind diese Zeiten des Nachdenkens Zeiten des Gebetes. Gott begleitet uns immer und wir können ihn in diesen Zeiten großer Aktivität um Hilfe bitten.
  • Die Liebe zu Gott schafft letztlich Einheit und Ordnung in unseren Herzen und lehrt uns, wo die Prioritäten liegen sollen. „Zu diesen Prioritäten gehört auch, dass man das Wohl der Menschen immer über alle anderen Interessen stellt und daran arbeitet, um ihnen zu dienen und ihnen auf diese Weise Liebe zu erweisen. Die Liebe muss in geordneter Weise verwirklicht werden, so dass sie bei denen beginnt, die Gott uns direkt anvertraut hat.“ 9

Die Liebe zu den anderen gibt uns die richtige Einstellung zum Leben und lässt uns das Positive an unserer Situation sehen: Wir haben großes Glück, dass wir mit unserer Familie eine anspruchsvolle Arbeit vereinbaren dürfen. Wir sind keine armen Opfer, sondern Privilegierte, die große Gaben erhalten haben.
Rosalía Baena


1 Hl. Johannes Paul II. , Apostolisches Schreiben Familiaris Consortio , Nr. 6.

2 Joh 5, 17.

3 Vgl. Gen 2, 15.

4 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen von einem Familientreffen, Santiago de Chile, 7.7.1974.

5 Papst Franziskus, Generalaudienz, 19.8.2015.

6 Vgl. „ Familia y trabajo” (Nota Técnica. Curso Amor Matrimonial II).

7 Hl. Josefmaria, Der Weg , Nr. 815.

8 Chinchilla N. y C. León, C. , La ambición femenina . Como re-conciliar trabajo y familia, Madrid, Ed. Aguilar, Madrid 2004, S. 12.

9 Vgl. López Díaz, J. y Ruiz, C. , „ Trabajo y familia ".