"Lieben heißt, jeden Tag aufs neue mit Dienen zu beginnen"

Die letzten Tage, sagtest du mir, seien so herrlich wie noch nie gewesen. - Meine spontane Antwort war: "Weil du dich mehr als sonst hingegeben hast." (Die Spur des Sämanns 7)

Erinnert euch an das Gleichnis von den Talenten. Der Knecht, der nur eines empfangen hatte, hätte es wie seine Mitknechte richtig verwenden können, er hätte sich unter Einsatz seiner Fähigkeiten bemühen können, einen Gewinn zu erwirtschaften. Wozu aber entscheidet er sich? Er fürchtet, es zu verlieren. Das ist zwar verständlich. Doch was tut er dann? Er vergräbt es (Vgl. Mt 25,18), und es bringt keine Frucht.

Vergessen wir nicht dieses Beispiel krankhafter Angst davor, Arbeitskraft, Verstand und Willen, ja den ganzen Menschen einzubringen. Ich vergrabe das Talent, so bildet sich dieser arme Kerl ein, aber dafür bleibt meine Freiheit unangetastet. Nein. Die Freiheit hat sich hier für etwas sehr Konkretes entschieden: für die armseligste Dürre. Sie hat Partei ergriffen, denn es blieb ihr nichts anderes übrig als zu wählen - und sie hat schlecht gewählt.

Die Meinung, Hingabe und Freiheit seien unvereinbar, ist irrig. Denn die Hingabe ist ja gerade eine Folge der Freiheit. Wenn eine Mutter sich aus Liebe zu ihren Kindern aufopfert, hat sie gewählt; und an dieser Liebe wird man ihre Freiheit messen. Wenn diese Liebe groß ist, wird sich die Freiheit als fruchtbar erweisen: das Wohl der Kinder hat seine Wurzel gerade in dieser gesegneten Freiheit, die die Hingabe wählt, und erwächst aus dieser gesegneten Hingabe, die die Freiheit ist.

Aber - so könnte jemand einwenden - wenn wir das, was wir von ganzem Herzen lieben, erreicht haben, werden wir dann noch weitersuchen? Ist dann nicht unsere Freiheit dahin? Nein, dann ist sie tätiger denn je, weil die Liebe sich nicht mit stumpfem Erledigen oder lustlosem Weitermachen zufrieden gibt. Lieben heißt, jeden Tag aufs neue mit Dienen, mit Werken der Liebe zu beginnen.

Ich wiederhole es, denn ich möchte es jedem von euch wie mit Feuer ins Herz schreiben: Freiheit und Hingabe sind kein Widerspruch. Sie tragen sich gegenseitig. Die Freiheit kann man nur aus Liebe hingeben; jeder andere Verzicht auf sie ist mir unbegreiflich. Es geht dabei nicht um irgendein Wortspiel. In der frei gewählten Hingabe erneuert die Freiheit immer wieder die Liebe; und sich erneuern heißt immer jung sein, mit einem weiten Herzen, zu großen Idealen und großen Opfern fähig. (Freunde Gottes 30-31)

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