Josefina ist für die Katholiken im Sudan eine Botschaft des Verzeihens

Aus Anlass der Heiligsprechung von Josefina Bakhita im Jahre 2000 schrieb der verstorbene Bischof Echevarria eine Würdigung, die auf Deutsch in der "Tagespost " erschienen ist.

"Ich trage zwei Koffer bei mir: in dem einen sind meine Sünden, und in dem anderen die unendlichen Verdienste Jesu", die heilige Josefina Bakhita, Kanossianerin aus dem Sudan. Ihren Gedenktag feiert die Kirche am 8. Februar.

Rom (DT) "Die Heiligen sind der höchste Ausdruck der Schönheit". Papst Johannes Paul II. sagte das einmal zu Journalisten auf einer seiner Reisen. Mir scheint dieser Satz besonders gut zur Person der heiligen Josefina Bakhita zu passen. Die Heiligen erlösen mit ihrem kraftvollen Zeugnis von der aufgezwungenen Gewalt gegen den Menschen. Was andere erleiden und wieder andere allenfalls beklagen, verwandeln die Heiligen von Grund auf, ein jeder von ihnen auf seine Weise. Sie sind in unserem Jahrhundert. des Fortschritts besonders aktuell, das keine Zahl so brutal beschreibt wie die Anzahl der Märtyrer. Ihr Ausharren angesichts der Ungerechtigkeit wirkt mit der Kraft einer wunderbar feinfühligen Liebe. Es sind die Heiligen, die die neue Zivilisationen schaffen durch ihre beharrliche Liebe, die alles hingibt. Einen hervorragenden Platz nimmt in diesem Panorama Josefina Bakhita ein, die 1947 im italienischen Schio verstorbene Kanossianerin. Ihr Leben ist eingetaucht in schwere Leiden. Als kleines Kind wird sie von Sklavenhändlern entführt, gefoltert; und auf den Märkten von EI Obeid und Khartoum wechselt sie mehrmals ihre Besitzer. Bakhita wird schließlich 1882 durch den italienischen Konsul ausgelöst und von den Kanossianer-Schwestern von Schio aufgenommen. Mit 21 Jahren lässt sie sich taufen, mit 27 wird sie selbst Kanossianerin.

Ihr Lebensweg war hart. Dabei reicht der Verweis auf ihre natürliche Güte nicht, um ihr Mitgefühl für die Menschen zu erklären, die sie so haben leiden lassen. Vielmehr war ihr Verzeihen Ausdruck einer Liebe, die nur von Gott kommen kann. Um auf das Wort des Papstes zurückzukommen: Die Schönheit ist kein toter Zierrat.

Alle sudanesischen Bischöfe nahmen an der Heiligsprechung am 1. Oktober auf dem Petersplatz teil. Für die Katholiken im Sudan, die gegenwärtig grausam verfolgt und denen die elementarsten Rechte versagt werden, ist Bakhita eine deutliche Botschaft der Hoffnung und des Verzeihens. Und sie ist ein Appell an unser aller Gewissen, die wir mitunter schweigen angesichts von Ungerechtigkeiten gegen Menschen, die weit weg von uns leben oder die keine Stimme haben, um auf sich aufmerksam zu machen.

Josefina Bakhita verkörpert das christliche Paradox der Freiheit. Als sie endlich die Möglichkeit hatte, ein ,selbstbestimmtes Leben zu führen, wählte sie statt dessen einen anderen Herrn, einen anderen Patron. Denn so nannte sie Gott. Ihm übergab sie ihr ganzes Herz, ihren ganzen Verstand und ihr ganzes Gemüt. ln der Folge widmete sie sich voll Freude den einfachsten Arbeiten und -war dabei liebevoll und herzlich im Umgang mit ihren Mitmenschen. Fast fünfzig Jahre diente sie so ihrem Herrn. Das eigene Ja gegenüber Gott jeden Tag zu wiederholen, heißt, sich ganz auf die Ewigkeit auszurichten. Nach vorne zu schauen, bedeutete für sie nicht, die Vergangenheit zu vergessen, sondern sie zu verwandeln, sie in der Freiheit der Liebe zu erlösen. Am Ende ihres Lebens drückte sie ihre Odyssee. lächelnd so aus: "Ich gehe langsam, Schritt für Schritt, denn ich trage ja zwei Koffer bei mir: ln dem einen sind meine Sünden, und in dem anderen, der viel mehr wiegt, sind die unendlichen Verdienste Jesu. Wenn ich in den Himmel komme, mache ich die Koffer auf und sage zu Gott: Ewiger Vater, jetzt kannst Du selbst urteilen. Und zum heiligen Petrus sage ich: Mach' die Tür zu, denn ich bleibe jetzt hier."

Die kaffeebraune Mutter, wie sie die Einwohner von Schio nannten, war am 17. Mai1992 zusammen mit Josefmaria Escriva, dem Gründer des Opus Dei, seliggesprochen worden. Das war für uns alle ein unvergessliches Erlebnis. Seit damals bin ich ihr sehr nahe. Daher freue ich mich ganz besonders über ihre Heiligsprechung. Ihr heroisches Beispiel wie auch das der 120 chinesischen Märtyrer, der heiligen Katharina Drechsel und das von Maria Josefin vom Herzen Jesu zeigen den Menschen das glorreiche Antlitz Christi, der in der Liebe siegreich ist. Jede Heiligsprechung feiert die Heiligkeit der Kirche und die beständige Schönheit, die die Braut Christi in die Welt ausstrahlt.

Der Autor war von 1994 bis zu seinem Tod 2016 Prälat des Opus Dei

Deutsche Tagespost