Seherin von Fatima: Glaube, Hoffnung und Liebe einüben

Am 13. Juli 1917 erscheint die Gottesmutter Maria den drei Seherkindern von Fatima das dritte Mal, erteilt ihnen Aufträge und lehrt sie, viel für gefährdete Menschen zu beten. Lucia und Jacinta teilt sie das dreiteilige „Geheimnis von Fatima“ mit. Zum 100. Jahrestag ein Beitrag von Andreas Kuhlmann.

„Wenn ihr den Rosenkranz betet, dann sagt nach jedem Gesätz: ‚O mein Jesus, verzeih uns unsere Sünden, bewahre uns vor dem Feuer der Hölle, führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die Deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen.‘ “ Es ist der letzte Auftrag Mariens an diesem Tag. Seit damals erfüllen ihn Christen in aller Welt.

Zuvor hat die Muttergottes ihren Wunsch wiederholt, dass der Rosenkranz ihr zur Ehre täglich gebetet wird, „um den Frieden für die Welt und das Ende des Krieges zu erlangen, denn nur sie allein kann es erreichen.“ Nur sie … – Was sie sagt unterstreicht die Worte Jesu vom Kreuz hinab: „Sieh da, dein Sohn! Sieh da, deine Mutter!“ Wie Johannes sollen wir uns mit unseren Nöten und Bedürfnissen an die Mutter Jesu und unsere Mutter wenden, denn Gott erhört ihre Bitten.

Gottes Erlösungstat, die Befreiung von den Sünden prägt die Marienerscheinung vom 13. Juli in besonderer Weise. So fordert Maria die drei Seherkinder und mit ihnen auch uns auf, Opfer zu bringen „für die Bekehrung der Sünder und zur Sühne für die Sünden gegen das Unbefleckte Herz Mariens“. Erstaunlich, dass Maria, die demütige Frau, so direkt auf sich selbst verweist. Wegen ihrer bevorzugten Erwählung können wir es aber verstehen: Weil die Herzen des göttlichen Sohnes und seiner heiligen Mutter von der Menschwerdung Gottes an einander so nahe waren und auf ewig in vollkommener Liebe verbunden bleiben, käme eine Geringschätzung ihrer Fürsorge einer Ablehnung der Liebe Gottes gleich. Umgekehrt gesagt: Wer Maria ehrt, ehrt Gott; wer Maria liebt, liebt Gott; wer Maria vertraut, vertraut sich der Barmherzigkeit Gottes an. Ohne die Mutter der Kirche wird es keine Einheit unter den Christen und keinen Frieden in der Welt geben können.

Am selben 13. Juli 1917 vermittelt die Gottesmutter den Seherkindern Lucia und Jacinta einen geheimnisvoll warnenden, erschütternden Einblick in die Realität der Hölle, den Ort – oder besser den Zustands ewiger Gottesferne. Sie sehen den Teufel, sie sehen die ewig Verlorenen. Um uns Lebende vor der Hölle zu bewahren, verweist Maria auf den ausdrücklichen Wunsch Gottes, „die Andacht zu meinem Unbefleckten Herzen in der Welt zu begründen.“ Von der Befolgung dieses Auftrags hänge Krieg und Frieden ab.

In diesem Zusammenhang sagt Maria – in ebenso warnenden und geheimnisvollen Bildern – den Zweiten Weltkrieg voraus, die Ausbreitung des Kommunismus und die Verfolgung der Christen, wenn ihre Aufträge nicht erfüllt werden. Was hier schon angedeutet ist, wird das dritte Geheimnis von Fatima genannt, dessen Inhalt lange unter Verschluss bleibt. Erst am 13. Mai 2000 legt es die römische Glaubenskongregation auf Anweisung von Papst Johannes Paul II. offen, nämlich das Martyrium vieler Bischöfe, Priester, Ordensleute, Laien – und des Heiligen Vaters, eines weiß gekleideten Bischofs, wie Schwester Lucia 1944 an Papst Pius XII. schreibt. Mit dem Attentat vom 13. Mai 1981 – dem Jahrestag der ersten Erscheinung – sehen sowohl Lucia als auch Johannes Paul II. diese Prophezeiung erfüllt.

Inzwischen hat sich vieles ereignet und verändert, angefangen vom Mauerfall und dem Bankrott des kommunistischen Systems bis hin zur Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II., einer der großen Schlüsselfiguren dieser Wende. Und Fatima? Auch nach hundert Jahren hat die friedlose Welt die Botschaft der Gottesmutter so dringend nötig wie damals. Anlässlich der Veröffentlichung des dritten Geheimnisses hatte der damalige Kardinal Ratzinger als Schlüsselwort des ersten und zweiten Geheimnisses „salvare le anime“ (die Seelen retten) genannt. Dann sagte er zum dritten Geheimnis: „Das Schlüsselwort dieses Geheimnisses [ist] der dreimalige Ruf: ‚Penitenza, Penitenza, Penitenza‘ (Buße, Buße, Buße)! Wir werden an den Anfang des Evangeliums erinnert: ‚Tut Buße und glaubt an das Evangelium‘ (Mk 1,15). Die Zeichen der Zeit verstehen heißt: Die Dringlichkeit von Buße – Umkehr – Glaube begreifen. Das ist die richtige Antwort auf den historischen Augenblick, der von großen Gefahren umstellt ist, die in den folgenden Bildern gezeichnet sind. Ich darf hier eine persönliche Erinnerung einflechten: In einem Gespräch mit mir hat Schwester Lucia mir gesagt, ihr werde immer mehr deutlich, dass das Ziel der ganzen Erscheinungen gewesen sei, mehr in Glaube, Hoffnung und Liebe einzuüben – alles andere sei nur Hinführung dazu.“

(Kongregation für die Glaubenslehre, Die Botschaft von Fatima, 13.05.2000, S. 40).

Dr. Adreas Kuhlmann