Audio des Prälaten: Fremde aufnehmen

Bischof Echevarria spricht in diesem Monat in seinem Podcast über ein sehr aktuelles Werk der Barmherzigkeit: “Jetzt in unserer Zeit sucht Christus weiterhin Freunde, die ihn in den Migranten oder Heimatlosen aufnehmen”.

Weitere Podcasts des Prälaten des Opus Dei über die Werke der Barmherzigkeit

1. Einleitung: die Werke der Barmherzigkeit (4.12.2015)

2.Die Kranken besuchen und sich um sie kümmern (16.1.2016)

3. Den Hungrigen zu essen und den Dürstenden zu trinken geben (15.2.2016)

4. Die Nackten bekleiden und die Gefangenen besuchen (15.3.2016)

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Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen. Wer damals diese Worte Christi hörte, wusste sehr wohl, welche Gefahren jene bedrohten, die sich auf die Straßen und Wege trauten: Diebe, wilde Tiere, ungünstiges Wetter und andere risikoreiche Umstände. Auch Maria und Josef erfuhren, was es heißt, ohne Schutz zu sein, als Christus zur Welt kam. Eine nach der anderen schlossen sich die Türen von Bethlehem. Nur ein Stall nahm den neugeborenen Gott auf. Einige Zeit später wurde die Heilige Familie von König Herodes verfolgt und ging ins Exil in ein fremdes Land, ohne aufgrund des übereilten Aufbruchs viel mitnehmen zu können.

Der Heilige Vater hat gesagt, dass „die Verkündigung Jesu uns die Werke der Barmherzigkeit vor Augen stellt, damit wir sehen können, ob wir als seine Jünger leben oder nicht“. Daher sollten wir Gott in unserem Gebet fragen: Warum, Herr, forderst du uns auf, dem Fremdling Obdach zu gewähren? Was sollen wir lernen?

Dem Fremden Obdach zu gewähren bedeutet, jemand uns Fremden aufzunehmen, in unserer sicheren und stabilen Welt einen Raum für den Hilfsbedürftigen zu schaffen; es bedeutet, den Bedrohten Schutz zu gewähren, mit ihnen zusammen unsere Bequemlichkeit einem Risiko auszusetzen, unseren Wohlstand zu teilen und daher ein wenig die Ruhe für uns selbst zu verlieren. Und dies mit äußerer und innerer Freude zu tun.

In den letzten Monaten sehen wir täglich schmerzerfüllt, wie Hunderttausende von Menschen ihr Leben aufs Spiel setzen, um eine würdigere Existenz beginnen zu können in einem Land oder einem Kontinent, wo sie nicht ursprünglich wohnen. Das ist kein neues Phänomen, aber seit einiger Zeit haben die sozialen Ungleichheiten und die Kriege derart zugenommen, dass weder das Meer noch andere natürlichen Grenzen diesen Strom von Emigranten länger aufhalten können.

Der Fremdling ist nicht länger eine entfernte Gestalt, sondern in den Straßen unserer Städte immer gegenwärtiger. Der Papst hat darauf hingewiesen, dass wir den Sinn für die brüderliche Verantwortung verloren haben, wenn wir der schmerzlichen Reise dieser Familien gleichgültig gegenüberstehen.

Gesellschaften, die sich Jahrhunderte hindurch in der Wärme des Christentums entwickelt haben, stehen jetzt vor dieser riesigen Herausforderung. Daher wage ich zu sagen, dass wir diejenigen, die sich gezwungen sehen auszuwandern, nur aufzunehmen in der Lage sind, wenn wir uns alle Tag für Tag in der Liebe Christi üben. Dieselbe Barmherzigkeit – die sie so oft in ihren Ursprungsländern getröstet hat durch das Wirken von Missionaren, Ordensleuten und zahlreichen Männern und Frauen guten Willens, denen wir sehr dankbar sein müssen – wird heute die Kreativität vieler Menschen inspirieren.

Es wird nötig sein, verschiedene Initiativen zu entfalten, um alle an einem Minimum an Wohlstand, Arbeitsplätzen, Häusern, Bildung usw. teilhaben zu lassen. Dabei muss uns klar sein, dass es sich nicht nur um ein finanzielles, sondern vor allem um ein moralisches Problem handelt, denn wenn ein Bruder Gerechtigkeit verlangt, muss die Antwort des Christen zugleich von Liebe geprägt sein.

Im Evangelium erfahren wir, dass Christus selbst die Gastfreundschaft vieler seiner Freunde genoss, während er in Judäa und Galiläa predigte. Denen, die ihm die Türen ihres Hauses öffneten, verwandelte Jesus das Leben: Marta, Maria und Lazarus erfreuten sich auf diese Weise der Freundschaft des Erlösers; Simon, der Pharisäer, lernte den Wert der Vergebung kennen; Zachäus gab sein egoistisches Leben auf… Jetzt in unserer Zeit sucht Christus weiterhin Freunde, die ihn in den Migranten oder Heimatlosen aufnehmen.

Du und ich, wir können Christus täglich in unserer Seele als Gast aufnehmen, wenn wir ihn in der Eucharistie empfangen. Meine Schwestern und Brüder, Freunde und Freundinnen, überlegen wir: Welche Gastfreundschaft gewähren wir dem Erlöser? Bereiten wir unser Herz, wie jene Gestalten aus dem Evangelium gewiss ihre Häuser auf die Ankunft des Meisters vorbereitet haben? Mit welchen Zeichen der Liebe empfangen wir den göttlichen Gast?

Wenn wir von der Eucharistie sprechen, lenkt uns das nicht vom Thema der Barmherzigkeit ab, denn nur ein Herz, das mit Christus umzugehen versteht und sich bemüht, ihn jeden Tag mehr zu lieben, wird in der Lage sein, sich dem Bruder zuzuwenden, der Hilfe, Arbeit oder einfach besondere Aufmerksamkeit braucht.

Auch der hl. Josefmaria erlitt die Prüfung dessen, der fliehen und Unterschlupf suchen muss. Aufgrund der Religionsverfolgung, die 1936 in Spanien ausbrach, musste er über lange Zeit in Madrid an verschiedenen Stellen - in Dachkammern oder beengten Räumen, jedenfalls an unbekannten Orten - Zuflucht suchen. Wenn er vermutete, dass ihn die Menschen, die ihn aufgenommen hatten, nicht verraten würden, vertraute er ihnen an, dass er Priester war und ermöglichte ihnen – ohne Angst, sein Leben in Gefahr zu bringen – die Teilnahme an den Sakramenten wie Beichte oder Kommunion, was in jenen schwierigen Monaten ein echter Trost war. Auf diese Weise öffnete sich Christus mitten in der für eine Konfliktlage typischen hass- und angsterfüllten Atmosphäre von neuem einen Weg zum Herzen jener Menschen.

Bevor ich dieses Gespräch mit euch beende, bitten wir gemeinsam Maria und Josef, die Fremdlinge in Bethlehem und Emigranten in Ägypten waren, sie mögen uns lehren, das Tor unseres Lebens jenem Christus zu öffnen, der uns um eine großzügige Aufnehme derer bittet, die sie dringend brauchen.